12.07.2013 Lubo's Rennbericht 24h Grieskirchen

Endlich einmal erfahren wie es ist, durch die Nacht zu fahren. Den Sonnenuntergang, die Nacht und den anbrechenden Tag zu erleben. Einmal in die Pedale einrasten und sagen zu können "Bis morgen dann, Ciao!"
Das wollte ich wissen.
Über "Umwege" erfuhr ich vom 24h Rennen in Grieskirchen. Dies schien mir sofort die beste Möglichkeit, das erste Mal eine solche Erfahrung zu machen.
Ein 21,5 km Rundkurs mit 173 hm klingt überschaubar und ist auch von der Betreuung her relativ einfach zu organisieren.
Das Event selber ist absolut professionell aufgezogen - es gibt von der 24h Pastaküche über Mechaniker, Masseure, Labestellen auf der Strecke, alles was das Bikerherz begehrt.

Nachdem meine Freundin Nici im August ihr Debut als Betreuerin des Ultrasportlers Herbert Meneweger beim RaceAroundAustria hat, lag es auf der Hand, wer diesen mühseligen Job in Grieskirchen übernehmen wird.
Gesagt, getan. Am Freitag Abend holten wir uns schon mal die Startnummer, bezogen das Fahrerlager und drehten gemeinsam mit Solofahrer Michel Herzog eine ganz gemütliche Kennenlernrunde. Am Samstag hatten wir unsere Wagenburg, bestehend aus 3 Solofahrern und Crew fertig aufgebaut und betriebsbereit gemacht. Der ESV-Banner für das nötige Feng Shui durfte da natürlich nicht fehlen.
In einer wirklich angenehmen Ruhe wurde das Bike vorbereitet, der Ernährungsplan nochmals durchgegangen, die Bekleidung gecheckt, Plan B, C und Worst Case Szenarien durchgesprochen und natürlich auch noch etwas rumgeblödelt um die leichte Anspannung etwas erträglicher zu machen.
Und dann geht alles eigentlich ganz schnell.

Startschuss für die 24h Solofahrer mit lauter Feuerwehrsirene, so wie es sich für Samstag 12 Uhr eben gehört.
Es geht gleich voll zur Sache und ich kann mich in der zweiten Gruppe festsetzen. Das Tempo der ersten Gruppe ist mir eindeutig zu hoch. Ich fahre 3 Runden mit, dann entwickeln sich immer neue, kleinere Grüppchen. Da meine Stärke auf dem Flachen liegt, spare ich bei den Hügeln mit dem Tempo. Trotzdem wird man in gewisser Weise mitgerissen und man ahnt schon, das dies auf Dauer nicht gut gehen kann.
Nach 5 oder 6 Runden stelle ich mich auf eine 45 – 47 min Pace ein und finde langsam meinen Rhythmus.
Nici betreut mich sehr gut und macht ihren Job wie ein alter Hase in diesem Geschäft.

Ich muss noch anmerken, dass ich bewußt ohne Tacho gefahren bin. Nur die Pulsmessung war mir wichtig. Somit kann ich keine genauen Auskünfte geben, bei welcher Runde oder Kilometer sich etwas ereignet hat.
Auf jeden Fall kommt nach ca. 6 h Fahrt der erste Hammer. Ein Einbruch wie er im Buche steht, der rechte Oberschenkel krampft und ein bisschen Angst über den weiteren Rennverlauf macht sich breit. Zum Glück konnte ich bei den zwei Brevets im Frühjahr genug Erfahrung sammeln um über das hinwegzukommen. Nici aktiviert Plan B – es gibt reichhaltig Magnesium und ein spezielles Salzgetränk aus der Apotheke.
So kriegen wir die Krämpfe in den Griff und auch der Einbruch ist nach etwa zwei Runden überstanden.
Zudem feuern mich die ESVler und das Publikum auf der Strecke an - das gibt Kraft!
Jetzt kann ich wieder halbwegs vernünftige Rundenzeiten fahren und mich ab und zu bei anderen Staffelfahrern ranhängen. Eigentlich soll man als Solofahrer viel Windschatten der Staffelfahrer nutzen, nur leider fehlt mir dazu noch die Erfahrung und die Kraft in den Beinen um da über die Hügel mitzuhalten. So fuhr ich ca. zwei Drittel des Rennens komplett alleine. Meine Gedanken nach dem ersten Einbruch waren, auf Nummer sicher zu gehen und lieber mit 2 oder 3 Runden weniger zu finishen, als aufgeben zu müssen.
Das zur Renntaktik.

So verflogen die nächsten Runden und so gegen 21 Uhr, als ich das erste Mal vom Rad stieg um mich für die Nacht anzuziehen, begann die nasse Phase des Rennens.
Am Anfang waren es nur Regenschauer, später in der Nacht regnete es ein paar Runden durch. Das ist eigentlich schlecht - aber für mich und meinen weiteren Rennverlauf war das sehr gut.
Auf das hatte ich gewartet. Jetzt konnte ich endlich mit dem Kopf fahren. In der Nacht arbeitete ich mich, ohne dass ich es wußte, von Platz 47 in die Top 30 vor.
Ich hatte zwar so gegen halb zwei einen zweiten Einbruch, aber mit diesem hatte ich gerechnet und das war mir nichts Unbekanntes. Ich konnte von meiner Berufserfahrung profitieren.
Es war nur eine Art bleierne Müdigkeit, die sich zwar nicht sehr schön anfühlt, aber nur halb so schlimm ist wie man denkt.
Ich wußte, wenn ich das überstanden habe, bricht bald der Tag an und mit dem Sonnenaufgang kommt auch die Energie wieder. So kam ich sehr gut durch die Nacht.
Der Moment kurz vor dem Sonnenaufgang war für mich persönlich sehr emotional, da es genau der Moment war auf den ich seit Samstag Mittag wartete.

Die Schmerzen in den Beinen sind wie weggefegt und zwei weitere Runden fliegen nur so vorbei.
Leider konnte ich die neue Energie nicht ganz so verwerten wie geplant.
Bei einer Runde mußte ich bei der Labestation in Schönau Luft beim Vorderreifen nachpumpen lassen - zum Glück war es nichts schlimmeres.
Bei der nächsten Runde wurde ich in einen schweren Unfall verwickelt. Ich glaube dies passierte so gegen 5 Uhr früh. Zu Dritt waren wir gerade bei der steilen Abfahrt nach Bad Schallerbach unterwegs, als der Vordermann, wegen eines losen Kanaldeckels sehr schwer stürzte. Nur mit viel Glück konnte ich einen Zusammenstoß mit ihm verhindern. Das wäre dann mit Sicherheit das endgültige Aus für das Rennen gewesen. Wir waren ziemlich schnell unterwegs und den armen Kerl vor mir hat es förmlich zerrissen!

Der Dritte im Bunde war scheinbar von der Pflicht der Ersten Hilfe ausgenommen. Er drehte sich zwar um, fuhr aber weiter. Wahrscheinlich ist er aus dem Vertrauensgrundsatz genauso ausgenommen.
Der gestürtze Rennradkollege hatte, wie sich später dann herausstellte, an der Schulter alle Sehnen ab und darf jetzt den Sommer mit Operationen verbringen.
Das mir dieses Ereignis 15 Minuten kostete ist also nichts zu dem was der Verletzte erlitten hat.
Eine Stunde später kam dann endlich die große, schon sehnlichst erwartete Pause. 20 Minuten runter vom Rad. Trockenes Trikot anziehen, warme Nudeln genießen, Licht runter und dann nach gefühlten 2 Minuten sitzt man schon wieder oben.

Die nächsten Runden verlaufen sehr gut. Ich konnte sogar, trotz steigendem Gegenwind auf der langen Geraden nach Pollham eine 44 Min Pace fahren.
Bin selber überrascht. Kann wieder Druck auf die Pedale bringen. Ich versuche mich aber etwas zu züglen. Ich will einfach nichts riskieren. Die Beine könnten auch eine tickende Zeitbombe sein und wieder anfangen zu verkrampfen. Trotz Schongang bleibt es bei ganz guten Rundenzeiten.
Hin und wieder gibt es ein Schulterklopfen von Staffelfahrern und ein Daumen hoch von anderen Mitstreitern. Das hilft schon weiter!
Es beginnen die letzten Stunden. Das Taktieren im Kopf beginnt. Ich versuche zu Rechnen. Wieviele Runden noch? Wieviele hab ich eigentlich schon? Wieviel geht sich aus? Wieviel Zeitpolster hab ich um noch eine Runde vor 12 Uhr anzufangen? Ich bin auf Platz 25, wie geht das?!. Da hat man dann wieder etwas Ablenkung.
Ablenkung die wirklich nötig ist, da mein Hintern und Schritt mittlerweile ein Fall für den Hautarzt ist und das rechte Knie mich mit stechenden Schmerzen munter hält.
Die Fanzone in Pollham ist der Wahnsinn - die treiben einen richtig gut an. Ich treffe Andi und Doris auf der Strecke - sie helfen einem Fahrer beim beheben eines Platten. Eine Runde später stehen sie bei meiner Betreuerin und Andi ruft mir zu das ich mich in der 26sten Runde befinde.
Das sind sehr gute Neuigkeiten! Ich gehe nochmal im Kopf alles durch und es es müßten 30 Runden drin sein. Ich drück, den Umständen entsprechend, nochmal drauf.
Die letzten Runden fahre ich viel im Wiegetritt. So kann ich die den Hintern etwas entlasten und das Knie etwas mehr belasten. Toller Plan – aber das Leben ist kein Wunschkonzert.
In der vorletzten Runde treffe ich wieder mal Jürgen, der noch ein paar motivierende Worte für mich hat. Gut zu wissen das es den ESV-Staffelfahrern auch noch gut geht.
Ich passiere das letzte mal die Zielzone, rufe zu Nici "nur Cola, nur Cola", fahre die letzte Runde mit einer sehr interessanten Mischung aus Erleichterung und Schmerzen und verabschiede mich von den Leuten neben der Strecke.
Dann entdecke ich vor mir noch zwei Solofahrer. Kann ich da meine Platzierung nochmals verbessern? Vielleicht sind die auch auf einem 30 Runden Kurs unterwegs?
Ich halte Abstand um nicht als Windschattenlutscher durchzugehen, fahre ihr Tempo mit und kurz vor Grieskirchen ziehe ich nochmal an, gehe vorbei, erwarte eine Attacke zurück, aber es kommt nichts. Soll mir recht sein.
Die Zieldurchfahrt war einfach grandios! Ein wundervolles Gefühl!
Tolles Publikum, viele Tröten und Applaus.
Danach dicke Umarmung mit Nici – sie sollte eigentlich auch ein FinisherShirt kriegen.
Sie hat genauso die Nacht zum Tage gemacht und alles gegeben - ohne eine solche zuverlässige Betreuung kann man so ein Ergebnis nicht erreichen.
Das ist eben auch so eine Besonderheit bei diesen Langstreckenveranstaltungen:
Der Betreuer hat denselben Stellenwert wie der Fahrer – nur ohne Applaus.

Als Resumee kann ich nur sagen:
Ich habe gefunden was ich gesucht habe und ich werde es bald wieder aufs Neue entdecken. Die Langstreckendistanzen und ich könnten noch sehr gute Freunde werden.
Wie in guten, auch in schlechten Zeiten?
(Lubo)

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